Montag, 4. April 2005

Nun bin ich also wieder von allen guten Geistern verlassen sozusagen, aber von einkehrender Ruhe keine Spur: Am Donnerstag war "Nice to meet you" - Party im Grand Escurial in Nizza - angeblich ist das die größte Disco der Côte. Wenn die das sagen wird's wohl stimmen, ich kenn in München wesentlich größere. Ansonsten vom Ambiente her sehr sympathisch, 13 € für einen Cocktail halte ich dennoch für übertrieben, wenn auch nicht weiter erstaunlich für die Gegend. Am Eingang wurden farbige Armbänder für "Speeddating" ausgeteilt, grün für célibataire, blau für prêt-à-tout und rot für amoureux. Bei meiner Ankunft gegen Mitternacht gabs schon kein grün mehr, was einerseits ein gutes Zeichen war, mich andererseits vor die Wahl stellte, ein (hell)blaues oder kein Armband zu nehmen. Was solls, völlig farblos wollte ich dann doch nicht gehen und letzten Endes hat es im Gedränge auf der Tanzfläche eh niemanden sichtlich interessiert.

Am Freitag Abend war Geburtstagsfeier von Lolo und Popol bei den Granbetas (die langsam aber sicher den anderen den Status meiner LieblingsfranzosenWG streitig machen), diesmal Pyjama-Party. Das ist eigenartig, sobald alle im Schlafanzug rumlaufen wird man selber viel schneller müde. Dafür ist von Anfang an eine gewisse gemütliche Grundstimmung vorhanden. Dummerweise haben sich dann im Lauf des Abends immer mehr Leute wieder umgezogen, so daß ich mir gegen Ende hin in meinem rosa Outfit reichlich albern vorkam.

A propos Gemütlichkeit: Ein Prosit! Am Sonntag vormittag bin ich mit einem Packerl Weißwürscht, Erdinger Weißbier und Bairischer Fahne in der Schweiz, präzise gesagt: bei Adrian, eingefallen, um den guten alten Brauch des Weißwurschtfrühstücks zu zelebrieren. Leider hab ich hier keine Brezen aufgetrieben und direkt vom Metzger schmeckts nochmal besser, aber die Idee dahinter war denke ich zu erkennen. Adrian war auch vom Bier zum Frühstück angemessen beeindruckt, hat sich aber dann doch nicht angeschlossen, weil er an diesem schönen Sonntagmorgen noch wegen der Party am Freitagabend verkatert war. Sein Fazit: Absinth ist keine gute Sache!

Dienstag, 5. April 2005

Endlich habe ich es geschafft, in ein Judo-Training zu gehen, Antoine hat einen Club mitten in Sophia aufgetrieben. Dienstags und Freitags ist Training, 19.30 - 21 Uhr. Meine Kondition hat inzwischen sehr nachgelassen mußte ich feststellen, aber das gibt sich hoffentlich! Da werde ich jedenfalls wieder hingehen, das Training war anstrengend aber gut.

Ich hatte mich mit Antoine an der ESSI verabredet, um gemeinsam hinzufahren. Mein Auto blieb inzwischen auf dem Schulparkplatz. Auf dem Heimweg vom Dojo haben wir ein Wildschwein samt Frischlingen am Wegesrand gesehen. Adrian hatte sogar mal erzählt, einem solchen zu Fuß begegnet zu sein. Meine Abwesenheit jedenfalls hat jemand genutzt, meinen Tankdeckel zu klauen, sehr ärgerlich. Jetzt frage ich mich, ob es sich lohnt, diesen zu ersetzen oder ob das naiv ist, zu glauben ein neuer würde nicht auch abhanden kommen. Werd mich mal erkundigen was der Spaß kostet.

Abgesehen davon war es echt ein guter Abend, ich werde mich eventuell morgen nicht bewegen können vor lauter Muskelkater (des courbatures), dafür habe ich endlich wieder Judo gemacht. Das Schöne daran ist, daß trotz sprachlicher Barrieren, die ggf. noch vorhanden sind, der Sport der gleiche ist. Abgrüßen am Anfang und Ende, die Techniken... Uchi komi heißt uchi komi - das ist doch mal angenehm. Sogar der Verein an sich ist ähnlich: Es gibt wenig Frauen im Erwachsenentraining und es fehlen die Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren.

Am letzten Wochenende ist der Papst gestorben. Dabei ist mir aufgefallen, daß sein Amtsantritt vor meiner Geburt liegt, ich also nur diesen einen kenne. Und auch wenn er für mich persönlich nie eine größere Rolle gespielt hat, so war er doch immer wieder im Gespräch, sei es, ob seiner konservativen Haltung gegenüber Empfängnisverhütung oder ob seiner Bemühungen um den Frieden auf der Welt. Selbst mir wird er also irgendwo fehlen, 26 Jahre sind doch eine lange Zeit.

Freitag, 8. April 2005

Gerade ist Heike zu Besuch. Am Nachmittag ihrer Ankunft waren wir in Haut-de-Cagnes, um in der Sonne am Dorfplatz einen Pastis und einen Perroquet (Pastis mit Sirop de Menthe - nicht so abwegig wie ich anfangs dachte) zu trinken. Dies unter Protest des Wirts - en plein après-midi! Der Apero wird wohl erst später als 16 Uhr getrunken. Vous êtes pas françaises? Ah ben alors c'est pour ça! Beim Zahlen haben wir ihm gesagt, na gut, dann kommen wir eben zum Apero wieder.

Das Chateau hatte die Türen zwar noch offen, aber zum Besichtigen wars zu spät (17 Uhr). Dafür hat uns ein Herr vorgeschlagen, eine Stadtführung zu machen, für Studenten 1,50 € pro Person. Okay, warum nicht, auch wenn ich mir erst gar nicht viel drunter vorstellen konnte. Es hat sich aber wirklich gelohnt! Zunächst mal ist gegenüber vom Schloß (das Wohnsitz eines Grimaldi war) eine nahezu unterirdische Kirche - wie überhaupt früher einiges unterirdisch existierte, diverse Fluchtwege für die Landbevölkerung in die Festung zum Beispiel, sehr abenteuerlich!

Vor der Festungsmauer auf einer schmalen, abschüssigen Straße war ein Rechteck aufgezeichnet: Hier findet jeden August die Weltmeisterschaft einer relativ neuen Spielart von Boule statt - mit eckigen Kugeln! Wir erfuhren dann noch von einigen Malern, die in Cagnes gelebt und gearbeitet haben, haben eine kleine Kirche unterhalb der Festung angeschaut, die wegen regelmäßiger Diebstähle nur sehr selten geöffnet ist, aber einen Besuch lohnt, vor allem mit einem Guide, der die Fresken erklären kann.

Ich habe beim Thema Diebstähle gemeint, naja, mir wäre grad der Tankdeckel (la trappe) geklaut worden. Die belustigte Gegenfrage war, wozu klaut man denn den? Ich meinte, vielleicht hat jemand Ersatz für seinen eigenen gebraucht? Worauf unser Guide hinter dem nächsten Twingo verschwand und wir schon befürchteten, er würde mir was organisieren. Nein, er wollte sich nur den Mechanismus anschauen.

Weiter im Text und wieder auf dem Dorfplatz haben wir gelernt, daß hier früher der Bär gesteppt hat und es fünf boîtes de nuit gab. Er selbst sei in dem Zimmer mit den blauen Fensterläden über einem Café im Dorfplatz geboren. Und Brigitte Bardot hat länger in Haut-de-Cagnes gelebt und ihre Anhänger haben das Bächlein, das aus ihrem Garten floß, in Plastikflaschen abgefüllt.

Zum Ausklang waren wir dann tatsächlich noch einen Pastis trinken - diesmal zur richtigen Zeit - und haben dabei erfahren, daß Jean-Marc, unser Stadtführer, in jungen Jahren als Archäologe bei Abu Simbel in Ägypten gearbeitet hat, wegen panischer Angst vor Skorpionen das aber nicht lange. Auf unsere Frage, ob denn heute nichts mehr los wäre abends und nachts meinte er, es wären sehr viele Dänen und Schweden gekommen, die sich Wohnungen und Häuser gekauft haben, die sie teilweise nur für ein paar Wochen im Jahr bewohnen und wenn sie überhaupt da wären, dann wollten sie ihre Ruhe. Schade sowas, es ist wohl der Traum von vielen, sich im Alter im warmen Süden niederzulassen und die jungen Leute werden dadurch immer mehr zurückgedrängt. Sprich, wenn ich mal hier leben will sollte ich das möglichst schnell anfangen!

Gestern waren wir in Nizza herumspazieren und sind zum Schutz vor dem Wind schließlich in einen "Train Touristique" geflüchtet, auch wenn das etwas peinlich und die abgefahrene Strecke schon bekannt war. Neu war (mir zumindest), daß Nizza ursprünglich auf den Collines entstanden ist und das Wasser der Cascades vom Fluß Vésubie stammt. Es gibt doch immer noch was zu entdecken. Nach einem Zwischenstopp daheim mit "Le Gendarme se marie" auf DVD - zu nett! - Treffen am Palais de Justice mit einem Freund von Heike (geplant) und einer Band der Essi (ungeplant), die sagten, sie spielen gegen 23 Uhr im Kings Pub (neben dem Waynes). Wir waren dann erst ein Bier im Thor trinken, sind dann noch durch die Altstadt gestreift, haben seltsame Eissorten wie Rose, Kaktus und Tomate/Basilikum (da fehlt der Salat) getestet, um schließlich ins Kings zu gehen. Erste Überraschung: On joue du rock! Außerdem war PH auch da, also war ich nicht mehr allein mit Heike und Oliver, die hauptsächlich Erinnerungen ausgetauscht haben - normal. Die Bands waren genial, es wurde auf den Tischen getanzt und die Musik war endlich richtig gut, wo ich schon dachte, schade, sowas fehlt hier an der Côte. Heute und morgen wpielt die gleiche Band da, wir werden zumindest heute nochmal hingehen. Für morgen hat mich André (Sänger bzw. Guitarrist der ESSI-Band - der noch in PL1 programmiert, gell Ines?) zum Barbecue eingeladen, wobei aber Pierrot auch schon Geburtstag feiert. Ein andermal gerne!

Abgesehen davon haben wir am heutigen Tag noch nicht viel gemacht, schließlich waren wir spät im Bett. Schande, schande, nicht mal das Weißwurschtfrühstück haben wir zur rechten Zeit geschafft. Das Wetter lädt aber auch nicht gerade zu Outdooraktivitäten ein, es ist bewölkt und windig - wie gemütlich da doch plötzlich neun Quadratmeter sein können!

Wieder überlasse ich das Wort...     Samstag, 9. April 2005

... an Heike:

    Wie schön, daß Eva meinem Beispiel gefolgt ist und für ein paar Monate an die Côte d'Azur verschwunden ist. Sehr schön für mich, so hatte ich mal wieder die Gelegenheit, das wunderschöne Blau des Mittelmeeres zu bewundern, Palmen zu sehen, meine Französischkenntnisse aufzumöbeln, Pastis und Perroquet zu trinken, ohne schief angesehen zu werden, südamerikanische Bekanntschaften aufzufrischen und abends (bzw. nachts)am Strand entlang zu gehen.

    Nachdem ich am Mittwoch hier gelandet bin hat mich Eva gleich auf ein Mittagessen im "RestoU" eingeladen, wo ich feststellen konnte, daß sich das ESSI in den letzten zwei Jahren nicht verändert hat (nur die Einrichtung ist teilweise erneuert worden) und auch das Essen seine Qualität behalten hat. Auch die Umgebung hat sich nicht groß verändert, nur hab ich diesmal noch ein paar Ecken gesehen, die ich noch nicht kannte. A propos Pastis vor dem Apero :-)

    Vieux Nice mit dem Thor und dem Kings, Bummelbähnchen auf den Collines (windgeschützt), Quick mit Studentenmenue, das zu Louis de Funes zu Ende gegessen wird, Käse der aus dem Kühlschrank stinkt, ein französisches Picknick - im Zimmer statt auf dem Strand - mit Schweizern, dafür ein Abend mit Südamerikanern.

    Meine einzige Sorge bleibt nur, die Kilos an Paté, Pastis, Schokolade und Wein nach Hause zu bekommen... Mais je vais penser à la plage quand je les mange :-)

Montag, 11. April 2005

Wieder ein Wochenende geschafft. Freitag waren wir auf dem "5ème Festival du cour métrage de Nice", es wurden Kurzfilme aus UK gezeigt, leider habe ich auch da zu spät ins Programm geschaut, es hätte an einigen anderen Tagen noch interessante Sachen gegeben. Das war im Théâtre de la photographie et de l'image de Nice - vom Meer aus gesehen auf der Avenue Jean Medecin direkt vor dem Einkaufszentrum Nice Etoile rechts abbiegen, dann kommt auf der rechten Straßenseite das Theater. Danach waren wir zum Apéro im Vieux Nice bevor uns Oliver, Venezuelaner, bekocht hat. Zum Essen kam noch seine Freundin, Portugiesin und noch ein Freund, den alle von früher kannten, aus Chile. In dieser Konstellation sind wir dann losgezogen von Olivers Wohnung (mitten in der Altstadt!) ins Kings, wie schon am Vorabend. Einer der Barkeeper hat mich gleich gegrüßt als würden wir uns lange kennen und Sänger und Guitarrist der Band erkannten mich auch sofort wieder. Ich scheine an dem einen Abend, den wir davor im Kings verbracht haben, einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben. Dabei weiß ich nicht mal, wie die Band heißt - ich hoffe trotzdem, ich finde sie mal wieder in Nizza. Werd mal André fragen oder o. g. Barkeeper.

Am Samstag habe ich nach ausgiebigem Past-eten/-is kaufen Heike zum Flughafen gebracht, die nach England weitergeflogen ist. Überraschenderweise vom Terminal 2 weg, das wäre fast etwas knapp geworden. immerhin fuhr gerade ein (kostenloser) Shuttlebus (une navette) ab zum anderen Terminal. Den weiteren Nachmittag habe ich damit verbracht, einen bairischen Kartoffelsalat zu machen für das Barbecue. Bei Jérôme angekommen (dem unschlagbaren Ausrichter diverser Geburtstagsfeiern) gab's erstmal wie üblich Tonnen von Chips, Erdnüssen und Chips. Das macht man hier so - erst so viel Kleinkram essen, bis man keinen Hunger mehr hat, dann wird gekocht. Das Feuer war letztendlich auch schnell gemacht, der Rauch zog hin und wieder nach allen Richtungen, so daß Witze gemacht wurden über den neuen Herrenduft, der sich da in Kleidern und Haaren festsetzt: Charbon de Bois - pour homme.
Solange die Übersetzung nicht mitgeliefert wird könnte das in Deutschland glatt als Eau de Toilette durchgehen nehme ich an ;-)

Zum Grillen waren dann ganze 3 Würstchen pro Person vorgesehen und mein Salat war der einzige. Dafür, daß das Wort Barbecue aus dem Französischen kommt, kein Vergleich mit Grillfesten bei uns! Mal abwarten, was der Sommer noch bringt!
Am Sonntag war ich noch im Kino, hatten wir am Samstag ausgemacht. In einem Kino in Mouans-Sartoux, für "Brice de Nice", dem Film eines französischen Komikers, vielleicht mit Stefan Raab vergleichbar. Nicht so schlimm wie ich erst befürchtet hatte, aber auch nicht weiter der Rede wert.

Freitag, 15. April 2005

Habe gerade zu Musik von Debout sur le Zinc die letzen Seiten von Peter Mayle's "A Year in Provence" gelesen - sehr nettes Buch, das stellenweise wirklich eine erstaunliche Ähnlichkeit mit den Erfahrungen aufweist, die ich hier mit "den Franzosen an sich" gemacht habe.
Und - ich hab die Band vom letzten Wochenende gefunden! Die Running Birds, tatsächlich eine italienische Gruppe. Den Gitarristen habe ich zufällig gestern im Thor getroffen und gleich nach neuen Terminen gefragt. Zudem haben wir (Adrian, Daniel und ich) jemand getroffen, den ich vom Sehen von der ESSI kannte. Stellte sich raus, daß er Brasilianer ist und seinen Master hier macht. Das erste, was ihm an den Franzosen aufgefallen ist, wäre, daß sie so abweisend und verschlossen wären. Habe ihm gesagt, dann soll er vielleicht nicht nach Deutschland kommen, ich nämlich finde die Franzosen wesentlich offener und gesprächsbereiter als die Deutschen. Ohne das verurteilen zu wollen, das ist eben so.