Es weihnachtet sehr? Muß wohl! 5. Dezember 2004

Ich glaube fast, ich habe noch nie ein so geniales Wochenende verbracht, wie dieses hier! Am Donnerstag abend waren Ines und ich noch recht gefrustet, weil wir im "Pub les 3 Diables" zwar einen im großen und ganzen netten Abend verbracht haben, aber die versammelte "Männer"welt uns gerade mal bis zum Kinn gereicht hat - der Franzose an sich ist im Schnitt eher klein geraten. Außerdem galt der "Happy Hour Stempel", mit dem man den ganzen Abend billiger wegkommen sollte ausgerechnet nicht für die Sachen, die wir bestellen wollten. Egal.
Freitag mittag habe ich Maakus vom Flughafen geholt und hab ihn zum Mittagessen an die Uni mitgenommen. Im Lauf des Nachmittags haben wir Floxy und Ines aufgesammelt und sind losgezogen nach Monaco, um noch bischen was davon zu sehen, bevor das Konzert losgeht. Das war schon ziemlich lustig, weil wir Englisch, Französisch und Deutsch gleichzeitig geredet haben, wobei ich zwischendurch tatsächlich in allen Sprachen Probleme hatte, die richtigen Wörter zu finden, so daß ich teilweise einen rechten Verhau geredet habe. Aber was solls! Wir haben dann in einer kleinen Kneipe noch was gegessen und uns gleich prächtig mit dem Besitzer verstanden, einem Marseiller. Soviel zu dem Vorurteil, daß die Franzosen keine Ausländer mögen. Jedenfalls hing im Schaufenster ein Plakat vom Konzert und ich dachte mir, nachdem das nicht mehr lang hin ist, vielleicht braucht man's hier nicht mehr? Der Mensch hinter dem Tresen meinte erst, solange das Konzert nicht vorbei wäre, könne er es nicht weggeben. Andererseits hat er doch den Chef noch gefragt und nachdem es ja am selben Abend war, hat er mir das TheRasmus-Plakat geschenkt. Danach hat er auch tatsächlich gemerkt, daß ich ja ein entsprechendes T-Shirt anhabe und wohl Fan bin ;-) Hat mich schon sehr gefreut!
Nachdem wir alles für das Konzert unnötige im Auto verstaut haben, sind wir auf dem Weg zum Eingang in nächster Nähe an Lauri, dem Sänger vorbeigekommen, der sich grad mit zwei Holländerinnen unterhalten hat, die schon die ganze Woche auf den Konzerten waren. Wir haben uns zwar nicht getraut, uns ins Gespräch zu mischen, aber es war trotzdem schön, ihn aus der Nähe zu sehen. Danach, am Eingang angekommen stellten wir fest, daß erstens nicht viele Leute (dafür viele Kinder!) da waren, die zweitens noch dazu dem Durchschnittsfranzosen entsprachen, von der Größe her - das versprach eine hervorragende Sicht zu werden. Drinnen haben wir uns eine Weile mit dem T-Shirt-Verkäufer unterhalten, der über die vielen Kinder sichtlich erstaunt war. Er hat uns auch bestätigt, daß TheRasmus in Frankreich wohl nicht sehr bekannt seien.
Das Konzert selbst war dann supergenial, abgesehen davon, daß viele der Franzosen Tanzen immer mit Pogen gleichsetzen, egal ob das zum jeweiligen Lied gepaßt hat. Egal, die Sicht auf die Bühne war toll, die Lieder gut - sie haben von einigen Songs eine Acoustic-Version gespielt, eine erstaunliche Veränderung, sehr gut. Nach dem Konzert wurden die Drum-Sticks in die Menge geworfen und schließlich ein Handtuch, letzteres habe ich gefangen!
Was auch immer ich jetzt damit anfangen soll, es ist zwar ein Original-MakeUp-Streifen/Fleck drauf, abgesehen davon riecht es frischgewaschen und ist ein stinknormales weißes Handtuch. Cool ist es natürlich trotzdem ;-)

War also schonmal ein toller Freitag. Am Samstag bin ich mit Maakus durch die Fußgängerzone und über die Avenue Jean Medecin geschlendert, wir haben diverse Kleinigkeiten für die armen Zuhausgebliebenen gekauft und sind schließlich zum Essen kochen (Spaghetti Bolognaise) wieder ins Wohnheim gefahren. Nach dem Essen haben wir erst noch etwas Kraft getankt, bevor wir uns dann zu dritt ins Nachtleben gestürzt haben:
An dem Abend am Donnerstag hatten wir erfahren, daß ein "PubCrawl" stattfinden sollte, also sowas wie eine Führung von einem Pub zum nächsten mit jeweils circa einer Stunde Aufenthalt. Das also wollten wir ausprobieren, von einem Pub zum nächsten zu kriechen!
Wir sind etwas verspätet aufgebrochen (ich war schon leicht erkältet und wollte es erst schon bleiben lassen!), nachdem zur Zeit Ines dran ist, das Leben zu kompliziert zu finden. Das scheint ansteckend zu sein... Gibt sich aber auch wieder - Kopf hoch da draußen!
Nachdem wir also spät dran waren hatten wir im ersten Pub, dem Thor, noch Zeit, ein Guinness serviert zu bekommen, bevor wir wieder aufbrechen sollten. Guter Einstand also, so ein Sturztrunk. Noch dazu, wo es in jedem Pub einen "Shot" umsonst gab, in diesem Fall Tequila (später Vodka - sogar Absolut!, irgendein Waldmeisterzeug und noch was undefinierbares, Süßes..). Es waren viele Deutschsprachige da, also keinerlei Verständigungsprobleme. Nach dem Thor waren wir im Checkpoint, ich bin mit ein paar anderen diesmal oben geblieben, unten ist es zu laut! Und oben gabs Live-Musik - hervorragend!

Live Music
Im nächsten Lokal hat auch jemand zur Guitarre gesungen und es wurde angefangen, munter Namensschildchen auszutauschen, so daß ich nacheinander Ülke, Anna, Renaud und Alex hieß. Hab mich im letzten Pub mit einem der Organisatoren, Daryl aus Australien, unterhalten, Tischfußball gegen Renaud und Ines gespielt (meinen Partner kannte ich nicht...), beim Billard erstaunlicherweise souverän die letzte Kugel versenkt, an der sich die eigentlichen Spieler die Zähne ausgebissen hatten (einlochen über Bande). Habs beim ersten Versuch geschafft, sehr cool, hätte ich nicht gedacht. Daryl jedenfalls ist um die vierzig würd ich schätzen, verheiratet mit zwei Töchtern und schaut sich grad die Welt an und meint, die Menschen wären doch im Großen und Ganzen überall gleich. Völlig unverhofft hab ich dann einen kleinen vergoldeten Känguruh-Anstecker geschenkt bekommen und den Tipp für's Leben, "fuzzy" zu bleiben. Dann hab ich noch einen kleinen Koala mit Boumerang zum irgendwo hinklemmen von ihm bekommen - das ist vielleicht toll, wenn wildfremde Leute so nett sind! Schwer zu beschreiben, das Gefühl, hab ich schon gemerkt (Floxy: "Wie, also Du freust dich nur, wenn Dir fremde Leute was schenken, Geschenke von Freunden magst Du nicht?").
Jedenfalls würde ich gerade behaupten, ich bin zwar erkältet aber hab mich noch nie so gut gefühlt. Und das, obwohl ich Maakus schon wieder am Flughafen abgesetzt habe und also wieder alleine bin.
Solange man aber unverhofft TheRasmus-Plakate, Handtücher, Känguruhs und Koala-Bären bekommt kann man sich nicht beschweren - ach, wie ist das Leben schön!
Am Dienstag hat Vicky zum libanesischen Abend eingeladen, schließlich ist sie halbe Libanesin. Es war ein ziemlich lustiger Abend, das Essen war gut oder zumindest interessant - mit ein paar der Spezialitäten werde ich mich wohl nicht näher anfreunden.
Seit dem Abend überlege ich jedenfalls, was ich Vergleichbares machen könnte - bei mir im Wohnheim vermutlich nicht viel, aber ich könnte sicherlich mal in der WG eine Soirée machen. Im Hinblick auf Weihnachten vielleicht Plätzchen mit Glühwein und Adventsmusik? ;-) Oder an zünftigen Schweinsbraten in Dunkelbiersauce mit Blaukraut und Kartoffelknödeln? Ines könnte einen Apfelstrudel oder so beisteuern, das wäre natürlich was. Mal sehen, werde meinen Vater mal num entsprechende Instruktionen ersuchen - schließlich kocht der immer noch am Besten!

Samstag, 11. Dezember 2004

Wir sind gerade knapp den Flics entkommen, Ines und ich. Wir saßen als letzte noch in den Computerräumen der ESSI, als plötzlich erst ein etwas nerviges Piepen und schließlich sogar eine Sirene losgeht. Nachdem wir wirklich die einzigen im Keller waren und ich den gestrigen Abend damit verbracht habe, in der Schule Terroristen zu jagen (LAN-Party; Counter-Strike mit einer Karte vom Schulgebäude!) hatte die Situation etwas bizarres. Ich hab per MSN dann nachgefragt, was das sein kann und die Antwort war, am Wochenende schließt die ESSI um 20 Uhr und der Alarm wird automatisch eingeschaltet und nachdem es jetzt also schon 20 Uhr 15 ist, würden wohl demnächst die Flics auftauchen und wir sollten uns besser vom Acker machen. Taten wir dann auch. Flics haben wir keine gesehen, dafür schien von der Terrasse der Caféteria ein flackerndes Leuchten herab, anscheinend machte da grad jemand Feuer, zumindest haben wir Stimmen und das Knistern der Holzscheite gehört. Zu sehen war auch da niemand. Vorsichtshalber haben wir die Scheinwerfer erst eingeschaltet, als wir um die Kurve gefahren sind, man kann nie wissen... Inzwischen sind wir heil daheim und nahezu sicher, daß uns niemand gefolgt ist. Schon irgendwie witzig - gestern noch in der virtuellen Welt in der Schule herumzuschleichen und je nach Ausgangslage Terroristen oder Counter-Terroristen zu jagen und am nächsten Abend selbst in der realen Welt (was ist schon real?) vor dem Gesetz zu fliehen ;-)
Schade eigentlich, daß wir niemandem begegnet sind!

Montag, 13. Dezember 2004

Und wieder gibt es Neuigkeiten aus dem sonnigen Süden. Das Angebot des Tages: Ein kleiner Striptease eines Unbekannten neben meinem Autofenster, als ich mit Ines grad losfahren wollte an die ESSI. Ein Exhibitionist gleich nach dem Frühstück - perfekt, so hält man auch die Leser meines Reiseberichts bei der Stange würde ich annehmen. Das allerdings nicht zu bildlich gesprochen!
Heute vormittag hatte ich im Kurs dann erstmalig den Eindruck, etwas anwenden zu können, was ich daheim schon gelernt hab. Im TP (Travail pratique) zu Administration und Sicherheit von Netzwerken werden wir mit iptables arbeiten. Überhaupt mit Linux, das ist hier gar nicht mal so verbreitet.
Nachmittags war Präsentation unserer Arbeit für Génie Logiciel, d. h. wir haben in der Gruppe unser Projekt vorgestellt, nämlich eine in UML mit allen Schikanen modellisierte Mautstation. Der Vortrag war gerade mal 10 Minuten lang, also bei fünf Leuten in der Gruppe 2 Minuten pro Mitglied, also nicht mal soviel zu sagen, ich glaube, es hat recht gut geklappt.
Den restlichen Nachmittag hab ich ein bischen Vision 3D gelernt, da ist morgen Examen, diesmal ohne Computer und wieder weiß ich nicht, was auf mich zukommt. Es wurde mir jedenfalls geraten, die Folien auswendig zu lernen...
Des weiteren hab ich über MSN mit einem Franzosen gechattet, der grad in Braunschweig ERASMUS-Student ist und den ich hier noch kurz kennengelernt hab. Der hat nämlich im Forum der ESSI eine hervorragend detaillierte Beschreibung des guten alten Brauchs des vorweihnachtlichen Feuerzangenbowlen-Schauens abgegeben, der also offensichtlich auch in Braunschweig gepflegt wird.
Dann hab ich noch Vortragsfolien für den IHM-Vortrag (Interfaces-Homme-Machine, UI) am Donnerstag angeschaut, nochmal Vision3D gelernt und hab mir anschließend noch die letzte halbe Stunde RiD-Bandprobe angehört, am Donnerstag ist wieder Konzert, diesmal sogar in einer Disco in Cannes - die Jungs sind echt bald TUNIX/GARNIX-reif. Zum krönenden Abschluß dieses ereignisreichen Tages komme ich heim und an der Rezeption wartet ein Päckchen auf mich, was das wohl sein mag? Nun, eines Tages vor gar nicht allzulanger Zeit hab ich beim Chatten erwähnt, daß es hier gar keine Lebkuchen gäbe und man sich bei 20 Grad tagsüber schwer tut, in die richtige Weihnachtsstimmung zu kommen. Was ist also in dem Paket? Lebkuchen! Und eine Karte mit Bild von einer verschneiten Winterlandschaft - Marcel, Du bist genial!