Montag, 6. Juni 2005

Nun ist also der letzte Monat meines geplanten Aufenthalts angebrochen - was eine traurige Angelegenheit wäre, wenn ich nicht alles getan hätte, um selbigen zu verlängern, so daß ich nun bis Ende August hier bin und Praktikum mache. Ob ich in der Residence bleiben kann, weiß ich noch nicht.

Anfang Mai habe ich nun endlich mein Praktikum bei Eurecom angefangen, lange genug hingewartet habe ich ja, nachdem ich mich im Januar schon beworben hatte. Nach eweigem Hin und Her hatte ich sogar schon eine andere Stelle als Softwaretester in Nizza ums Eck gefunden, dies aber dann doch abgesagt. Ich hätte sechs Monate lang je ca. 300 € bekommen und damit wäre ich nach Ende des Stipendiums nicht ausgekommen. Bei Eurecom soll ich also nun innerhalb von vier Monaten mit einem italienischen Praktikanten einen Software-Agenten entwickeln, der bei seiner Entscheidungsfindung seine Emotionen berücksichtigt. So in etwa. Wenn alles gut läuft geben wir Ende des Sommers ein kleines Paper raus und ich kann ggf. nächstes Jahr hier Diplomarbeit machen. Das Ambiente ist recht nett, ich bin mit einer Tunesierin und noch einem Italiener im Büro, zwei Doktoranden, mein Projekt mache ich zusammen mit der französischen Betreuerin, einem Iren und einem Italiener zusammen, mittagessen (im Resto U wei gehabt, das ist das naheliegendste) gehen wir mit weiteren Italienern, einem Inder und einem Tahitianer - das ist mal international!

Im Privatleben, d. h. freizeitmäßig ist auch einiges los, leider habe ich nicht die Motivation gefunden, Tagebuch zu führen und auch jetzt werde ich jährliche Ereignisse bzw. deren Beschreibung auf das Glossar verlagern (zu nennen wären die Polytech'Night, die Gala, die Jeux de Sophia...). In letzteren stecke ich gerade mittendrin, an Sportarten habe ich schon Badminton (équipe "Köttbullar" mit Vicky zusammen), Quad (uahh!), Beach Volleyball (équipe "Shishtaouks" mit Moustik, knacki, Vicky) und Pétanque (les "Moujiks" mit Moustik und Cuicui) gemacht. Zwar sind wir im großen und ganzen auf keinen grünen Zweig gekommen, aber dabei sein ist alles und das Boule spielen hat sich gelohnt, südfranzösischer geht es nicht. Um 8 Uhr früh Ankunft in Valbonne (nach der Amtsantrittscafetenparty des neuen BDE am Vorabend gar nciht so leicht), um 9 Uhr Spielbeginn ("Je tire ou je pointe?"), spätestens ab 10 Uhr den obligatorischen Pastis dazu. Da soll sich nochmal einer über Bier zum Weißwurschtfrühstück wundern! Ansonsten stehen jetzt an Sportarten noch Fléchettes (Dart spielen, mit Moustik) und Handball an.

Mit der französischen Sprache komme ich mittlerweile sehr gut aus, man hört zwar wohl noch einen Akzent raus, wenn ich spreche, aber verstehen kann ich nahezu alles. In letzter Zeit habe ich allerdings teilweise Schwierigkeiten, mich für die richtige Sprache zu entscheiden, bevor ich losrede. So habe ich beim Pizzaessen auf dem Dorfplatz von Valbonne (nach Pétanque, Pastis und Party am Vorabend war ich ziemlich erledigt) versucht, den Franzosen auf deutsch was zu erklären, was mir nichtmal aufgefallen wäre, wenn mich nicht alle eigenartig angeschaut hätten. Ich war auch wirklich müde! Jedenfalls hatte ich daraufhin am Abend beim Picknick am Strand von Antibes Probleme, mit Ines und Freund und den beiden Schweizern deutsch zu reden, später mit Adrian im McCarthy's in Monaco (vive les Running Birds!) wollte ich auch jeden Satz auf französisch anfangen. Komisch ist das, ich habe mich da momentan etwas zwischen den Sprachen verloren.

Praktisch ist hingegen, daß ich inzwischen keinen Unterschied mehr mache, ob ich ein Buch auf französisch, deutsch oder englisch lese. Und wo ich schon mal dabei bin, auf meine Zeit hier zurückzublicken (im Olydorf soll lich mich drei Monate bevor ich wieder einziehen möchte melden - das ist jetzt bald soweit) - es war und ist eine sehr schöne Zeit. Auch wenn ich schon immer frankophil war und daher vielleicht nicht ganz objektiv bin, so hat mich doch die Lebensart und die französische Kultur, Landschaft, Sprache, Mentalität... nicht enttäuscht. Wenn ich mich umschaue, so habe ich von allen Erasmus-/Austauschstudenten des Jahres wohl die meisten Leute kennengelernt und dabei aber nicht nur oberflächliche Bekanntschaften geschlossen. Nachdem ich hier mit einer fremden Sprache Hindernisse überwunden habe, die mir auf deutsch vielleicht auch einmal schwer vorkamen (Bürokratie, Präsentationen, ...) habe ich bestimmt einiges an Sicherheit dazugewonnen. Und ich denke, ich fühle mich Europa gewachsen, auch wenn das vielleicht etwas großspurig klingt. Die Internationalität, die ich hier kennengelernt habe, möchte ich keinesfalls mehr missen. Es ist doch zu spannend, über den Tellerrand zu schauen!

In diesem Sinne:

    Heureux qui comme Ulysse a fait un beau voyage!

Samstag, 25. Juni 2005

Dieses Wochenende ziehe ich um. Wem das etwas plötzlich vorkommt, dem sei gesagt, das ist auch so. Die Geschichte von vorne: Eigentlich endet mein Vertrag mit der Résidence Jean Medecin Ende Juni. Nachdem ich aber mein Praktikum bis Ende August machen wollte, habe ich beim CROUS per Mail angefragt, ob ich hier verlängern kann. Es kam eine Absage, für Ausländer gäbe es im Sommer kein Kontigent. Nachdem ich noch im Kopf hatte, daß bei meiner Ankunft letzten September nicht viel los war im Wohnheim, habe ich trotzdem nochmal direkt hier nachgefragt und man sagte mir, eigentlich wäre schon immer was frei im Sommer, ich solle einfach mal eine Anfrage ausfüllen und aber doch bitte meine "Convention du stage" beilegen - schließlich betreibe man hier "pas de tourisme!"

In der zweiten Juniwoche kam dann ein Brief, alles klar, ich kann bleiben. Cool!

Letzte Woche habe ich dann am RU einen Zettel gesehen, in den Dolinen (Rés. Univ. Les Dolines, Sophia Antipolis) wären noch Wohnungen frei. Das Wohnheim ist 5 Minuten von Eurecom weg, es wohnen viele Leute da, die ich kenne, die Wohnungen sind mehr als doppelt so groß, mit Küchenzeile und ganzem Bad - die Entscheidung war schnell getroffen. hab das ein paar Leuten erzählt und siehe da, gerade sucht eh noch jemand einen Untermieter für die zwei Monate, weil er zwar auszieht, aber seinen Vertrag nicht rechtzeitig kündigen konnte. Netterweise zieht er dieses Wochenende gleich aus, so daß ich wohl ab morgen in einer richtigen Wohnung wohne - unter der Woche zieht es sich nunmal nicht so praktisch um. Ich bin also heute am Packen, um Nizza zu verlassen - der erste Schritt in Richtung München eigentlich. Und die Generalprobe, ob ich all mein Zeug auf einmal in mein Auto bekomme.

Es sind also nun noch zwei Monate, die ich hier habe. Dem stehe ich mit gemischten Gefühlen gegenüber: Zurück nach München, in mein "altes" Leben, in dem ich Freunde habe, die gelinde ausgedrückt meine Vorliebe für Frankreich nicht teilen? Biergärten, Open Air Kino im Westpark, französische Abende im Olydorf... Irgendwo freue ich mich also schon auf daheim. Nachdem das Leben hier allerdings ein ganz anderes ist, muß ich eben sehen, wie ich diese zwei Leben unter einen Hut bringe. In diesem Sinne packe ich also nun weiter meine Koffer...

Mittwoch, 29. Juni 2005

Heute habe ich offiziell meine Schlüssel abgegeben in Nizza. War kein Problem, ich hatte mir ursprünglich etwas Sorgen gemacht. Nachdem ich mich ja mit Müh und Not beworben hatte und akzeptiert wurde für den Sommer wußte ich nicht recht, ob mich das nicht irgendwo verpflichtet. Letzten Endes war jedoch keine Rede davon. Mein Zimmer habe ich vor der Rückgabe gründlich geputzt, um dann zu merken, daß die Dame zur Überprüfung nur eben reinkommt, die Mängelliste von Anfang des Jahres auf den Tisch legt und unterschreibt, ohne merklich das Zimmer eines Blickes zu würdigen. Nachdem ich ungeschickterweise nicht die Miete des letzten Monats mit der Kaution bezahlt habe, sollte ich einen RIB hinterlassen, das Geld würde mir überwiesen. Tja, wie soll man dran denken, im Mietvertrag steht ausdrücklich, daß ein Aufrechnen nicht möglich ist...

Seit ein paar Tagen wohne ich also nun in den Dolinen - ein Traum! Endlich was kochen ohne allzugroße Platznöte zu haben - selbst wenn es zum Essen kochen im Grunde genommen zu heiß ist in letzter Zeit. Endlich mehr als vier Schritte machen können in der Wohnung. Viele Nachbarn, mit denen man spontan was unternehmen kann, und wenns nur zusammen einkaufen fahren ist. Und zu Eurecom sind es zu Fuß keine 10 Minuten, ich brauche mein Auto kaum noch.